2018/7 Teereise Japan: Ey Deutschland, sit down, be humble!

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Ey Deutschland, sit down, be humble!

Wir verlassen Kyoto mit dem Elf-Uhr-Shinkanzen Richtung Nagoya. Dann fahren wir weiter nach Toki. Toki ist neben Tajima und Seto das Zentrum der Mino-Keramik in Japan. Wir so so zeitig in Toki, das wir noch nicht einchecken können. Also lassen wir die Koffer im Hotel und nehmen ein Taxi zu einem Präsentationszentrum für Keramik dieser Region. Es liegt in den Bergen, einige Kilometer von Toki entfernt. Wir steigen aus, es ist eine herrliche Waldlandschaft, es scheint die Sonne, die Vögel tirilieren. Gezahlt, das Taxi wartet zunächst, dann fährt der Fahrer ganz langsam weg. So langsam, das ich ihr fast noch hinterher rufen will.

Das Keramikzentrum hat geschlossen. Es ist still hier oben, sehr still, bis auf die gut gelaunten Vögel. Niemand scheint hier zu sein. Wir laufen umher, entdecken einen Brennofen, sonst nichts.
Setzten uns unter einen Baum, machen Tee. Zwei Trottel im Wald. Weit und breit kein Mensch, kein Bus, kein Taxi. Wir beschließen nach dem Tee zu trampen, mit dem linken Daumen natürlich,voll entschleunigt.

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Einigermaßen ratlos erkunden wir noch einmal das Umfeld. Jiri entdeckt ein großes Haus mit einem Fenster. Er hat schon wieder Keramik erschnüffelt. Zunächst öffnet niemand. Dann schlurft ein älterer Herr heraus, öffnet die Schiebetür und wir stehen in einem alten Bauernhaus, in den Regalen Keramik. Es ist ziemlich kalt hier. Die Beiden verhandeln, obwohl wir nichts kaufen wollen. Immer spricht Jiri von Töpfern, die wir treffen wollen. Der ältere Herr, Jiro Sazaki summt immer ganz leise vor sich hin. Ich setzte mich auf die Veranda in die Sonne und höre von drinnen nur: jüngere Töpfer suchen, jaja, dann das monotone Summen von Jiro Sazaki.


Nach einiger Zeit kommt Jiri. Lass uns mal warten, meint er. Ich glaube er hat etwas vor. Jiro Sazaki hatte zuvor telefoniert. Dann kommt er aus dem Hauseingang und winkt uns zu seinem weißen Toyota. Er fährt uns, großartig.

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Wir fahren den Weg zurück nach Toki. Dann fährt er weiter, durch den Ort durch und am anderen Ende wieder den Berg hinauf. Plötzlich biegt er links ab. Wir sehen auf einer Hügelkuppel ein etwas futuristisch anmutendes Gebäude. Toki Municipal, Institute of Ceramics. Jiri und ich verstehen nichts. Wir folgen. Im Inneren treffen wir auf einige Mitarbeiter und auf Sakai Hiroshi. Er ist ein berühmter Töpfer. Ihn wollten wir unbedingt sehen. Plötzlich steht er vor uns. Aber nicht in einer Töpferkate in Arbeitskleidung,  sondern in dunkler Kleidung als smarter Boss dieses Instituts. Nochmal großartig. Der alte Mann (Jiro) ist für Überraschungen gut. Er stellt uns vor. Wir werden freudig begrüßt. Masayuki Higuchi fährt mit uns in sein Atelier. In einem weißen Toyota Masterclass.

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Die Becher und Vasen von Sakai Hiroshi, weiße Shinoglasur und schwarze Seto Guro-Glasur.

Sakai Hiroshi erzählt uns die lange Entwicklungsphase zu der sehr speziellen und hochspannenden Glasur, die er erstmals entwickelt hat. Sakai Hiroshi hat Keramikkunst bei Kozo Kato studiert, einem berühmten National Living Treasure.

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Die Seto-Guro Chawans sind meine absoluten Lieblinge. Ich suchen mir einen aus. Sie fühlen sich extrem leicht an, wie Lavagestein. Die Oberfläche erscheint rau, erscheint aber fein und eher weich beim Anfassen. Später, als ich den Preis für die Schale erfahre, stelle ich sie unter großem inneren Protest wieder weg.

Meine Schale, die leider nicht meine Schale wurde.

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Yunomi in Shinzo- und Seto Guro-Glasur.

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Die Frau von Sakai Hiroshi kommt zu uns. Sie spricht ein gutes Englisch und freut sich uns zu helfen. Nach einigen Verhandlungen über Preise und Menge haben wir uns für einige Objekte entschieden, die wir kaufen und morgen bezahlen werden. Unser Cash reicht bei weitem nicht aus.

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Frau Sakai bittet uns ins Haus. Es ist das Haus der Großeltern, ein traditionelles japanisches Haus mit Shojis und Tatamis und einem wunderschönen Garten.

Die Schalen mit der wunderschönen Glasur finden wir auch hier im Wohnzimmer. Wir sitzen an einem niedrigen Tisch. Frau Hiroshi wundert sich, das wir im Fersensitz Platz nehmen. Sie hat große Freude an der Kommunikation mit uns. Ihr Englisch ist so gut, das wir sogar ein wenig über internationale Politik, Handel, Donald Trump, Angela Merkel und das deutsche Flüchtlingsproblem sprechen können. Es git dazu Kaffee nach Japanmethode, einen guten gefilterten Kaffee.

Wir sind, glaube ich, für Frau Sakai das Highlight des Monats. Sie pflegt eine intensive Freundschaft nach Turin. So trainiert sie ihr Englisch ein wenig. Wir laden sie gerne nach Freiburg und Köln ein. Es hat eine lockere und sehr entspannte Atmosphäre. Wenn man bedenkt, das wir noch vor zwei Stunden allein in den Bergen gesessen haben, zwei Trottel, das ist schon verrückt.

Frau Sakai leitet die kleine Töpferfabrik, die an das Haus angrenzt. Sie wurde gegründet von der Großelterngeneration gegründet. Hier werden Töpfe für Ramen und Soba gefertigt die in die ganze Welt geliefert werden.

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Ein Mitarbeiter der Fabrik ist ein junger aber schon prämierter Töpfer. Er möchte uns einige seiner Schalen vorstellen und rast schnell nach Hause.

Die Guinomis des jungen Töpfers sind sehr gut gearbeitet. Die Glasur ist sehr schön, die  Form etwas floral. Wir würden uns einen geraderen Rand wünschen. Es scheint alles machbar. Dann die Frage nach dem Preis. Er ist wirklich wuchtig. Es wird still. Zum Glück kommt in diesem Moment die persische Hauskatze um die Ecke. Die Zeit gefriert für einen Moment. Der junge Töpfer merkt, er hat überspannt, verbeugt sich und flieht in an seinen Arbeitsplatz. Jiri krault die Katze, die das sichtlich genießt. Die beiden Hiroshis genießen auch. Das Schnurren der Katze entspannt die Situation. Wir erklären das Preislevel für Keramik in Deutschland. Sakai Hiroshi will für uns nachbehandeln. Nach drei Minuten kommt er zurück mit einem deutlich akzeptablerem Preis.

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Beide Hiroshis wollen uns zum nächsten Töpfer, der ganz oben auf unserer Wunschliste steht, begleiten. Also wieder in die weiße Limousine und ab in den nächsten Ort. Wir werden erwartet von Masayuki Higuchi. Er hat bei einem großen Töpfer, einem Living National Treasure studiert.

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Zwei Vasen von Masayuki Higuchi.

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Masayuki Higuchi hat ein Vielzahl von Guinomi für uns präsentiert. Es sind alle Stile der Region zu sehen: Seto Guro, die schwarze Glasur, Shino in verschiedenen Variationen, von weiß über die verschiedenen Rot-Variationen, und Oribe, die grüne Glasur.

Sehr faszinierende und außerordentlich wuchtige Chawans. Wuchtig in der Farbgebung, aber auch wuchtig in der Haptik.

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Jiri bei der äußerst schwierigen Auswahl. Schwierig, weil die Kunst in der Beschränkung liegt. Die Guinomis sind sensationell schön. Masayuki Higuchi hadert mit dem Google Teacher. Wir reden mit Händen und Füßen. Später als es um Preise geht, und wir erklären, das wir Händler sind, schalten wir per Handy seine Schwester ein, die gutes Englisch spricht. No Google teacher, google sister, grinst Masayuki Higuchi. Hey, ein bisschen lustig ist er auch noch.

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Ein Auswahl an Masayuki Higuchi Chawans und Guinomis. Man könnte jede Schale mitnehmen.

Business is over. Wir haben einen besseren Preis bekommen und kratzen unser letztes Bares zusammen. Es reicht so gerade. Und das Taxi, frage ich Jiri. Daran hab ich nicht gedacht. Also kein Essen heute.

Kein Problem, Masayuki Higuchi und seine Freundin fahren uns wie selbstverständlich nach Toki in unser Hotel zurück. O.k., er hat gut verkauft und wir haben gut eingekauft, aber diese Freundlichkeit, die uns heute begegnet ist, und zwar mit allen drei Töpfern, finde ich sehr außergewöhnlich. Das würden wir uns in Deutschland so nur wünschen.

#Ey, Deutschland, sit down, be humble#

 

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