Sommertees 2019
Beim Schmecken und Probieren neuer Tees tauchen immer wieder Erinnerungen an Reisen nach Japan, China und Taiwan auf.
Beim Trinken des Bio Kirishima Gyokuro Competition, einem Wettbewerbs-Tee aus den Kirishima-Bergen im Süden Japans, bin ich in Gedanken bei Meister Tohei in einem Darf nahe Okabe in Shizuoka. Im Halbschatten unter handgeknüpften Reisstrohmatten wachsen dort die herrlich kräftigen Yabukitapflanzen, von denen dieser Tee mit seiner unnachahmlichen Süße stammt. Der Tee besticht durch seine helle Frische, Noten von Steinobst wie Marille und einen Spritzer Limette. Wir haben diesen prämierten Tee noch immer im Angebot. Richtig verpackt kann Gyokuro einige Jahre seine faszinierende Qualität bewahren. Oft ist der etwas ältere Tee sogar der bessere.
Beim 2019 Mingjian Sijichun Peacocks Dance muss ich in meiner Erinnerung nicht weit zurückgehen. Wir haben ihn mit Teemeister Atong Chen in der ersten Woche nach Ostern produziert. Von Taipeh aus fuhren wir an einem heißen und etwas dunstigem Tag zu unserem Teebauern nach Mingjian. Als wir mittags ankamen lagen die geernteten Blätter bereits unter Netzen vor der Factory und welkten in der Sonne. Der Welkprozess ist für die Oolongproduktion so wichtig wie die Hefe fürs Brotbacken, sagt Atong Chen. Es erfordert Geduld und viel Erfahrung. Über das Welken wird der Veränderungsprozess im Teeblatt angestoßen.
Eine Teebäuerin geht auf Socken zwischen den Teeblättern und wendet sie behutsam mit einem Rechen. Nach einiger Zeit werden die Blätter auf flache Bambuskörbe geschüttet und ins Fabrikgebäude gebracht. Hier ist es kühler und der Welkprozess verlangsamt sich. Im Abstand von etwa einer Stunde wird das Blattgut auf den Bambuskörben mit einer kunstvollen Bewegung so gewendet, dass alle Blätter mit Sauerstoff in Berührung kommen. Ich durfte dieses elegante Handwerk bereits vor einigen Jahren in Mingjian und später in Ali Shan bestaunen.
Der 2019 Mingjian Sijichun Peacocks Dance ist ein großartiger Oolong geworden, wie helles Licht in einem Laubwald an einem Sommernachmittag. Er hat die Süße von karamellisiertem Zucker und Vanille, ein Tee, fast wie eine Crème brûlée. Ich habe den Tee „Peacocks Dance“ getauft, weil unsere Begleiter aus der Schweiz kurz vor Mitternacht aus Müdigkeit oder Übermut eine kleine Choreografie mit Besen und Schrubbern gestalteten, die an einen radschlagenden Pfau erinnerte.
Wenn Sie den Produktionsprozess im Detail kennenlernen und weitere Reiseerlebnisse lesen möchten, empfehle ich Ihnen unseren Blog.
Einige Tage später in einem Bambusresort in Taiwan hatte man eine klassische Chinesische Teezeremonie für uns organisiert. Im Schatten des Bambus waren Tische aufgestellt und die Teemeisterinnen begannen mit der Gong Fu Cha. Aus Erfahrung schwante mir nichts Gutes. Die Bewegungen der Meisterin sind meist ganz nett, die Qualität des Tees jedoch fast immer grauenhaft. Wir lächelten, während unsere Augen die Lage nach Blumentöpfen und anderen Gefäßen sondierten, in die sich der Tee unauffällig entsorgen lassen würde. Unsere Erwartungen wurden übertroffen, der Tee war noch grauenvoller als gedacht. Aber wir hatten keine Chance aufzustehen und quälten uns durch drei Runden, bis uns schließlich Atong Chen erlöste. Er brachte einen seiner Tees und schlug schalkhaft vor, doch einmal diesen zu probieren. Dem Meister konnte die Gong-Fu-Cha-Meisterin nicht widersprechen. Es war ein mit Holzkohle gerösteter Li Shan aus dem Jahr 2004, ein sogenannter Tanbei. Der Duft von frischem Backwerk und orientalischen Gewürzen breitete sich aus und auf der Zunge entfaltete sich eine unglaubliche Süße und Tiefe. Ein Tee, wie eine in Samt und Seide gekleidete Königin. Jeder am Tisch hatte plötzlich ein echtes Lächeln im Gesicht. Die Teemeisterin nippte nur kurz am Li Shan, das Gesicht gänzlich unbewegt.